Mitte Oktober hatte Ebersberg internationale Gäste. Unter anderen waren Chris Potter und Ron Carter da, Bassist des legendären Miles Davis Quintet. Beide spielten mit ihren Bands auf dem Jazzfestival EBE-JAZZ15. Im Rahmenprogramm des Festivals lief vom 11. bis 23. Oktober die Fotoausstellung EBE-Jazz seen im Studio an der Rampe. An der Gemeinschaftsausstellung haben außer mir acht weitere Fotografen teilgenommen.
Ich hatte bereits einige Portraits aus meinem Fundus herausgesucht, als die Veranstalter mitteilten, dass Live-Acts ausgestellt werden sollten, sprich: Menschen bei der Arbeit. Das Problem dabei: Dementsprechende Fotos haben einen eher dokumentarischen Charakter. Hinzu kommt: Ein Musiker mit offenem Mund und einem Instrument in der Hand steht in einer (oft) dämlichen Pose herum. Das hat dann etwa genauso viel Sexappeal wie ein Maler, der mit der Farbrolle an der Wand entlang fährt. Daraus ergibt sich auch gleich die Herausforderung bei der Bühnenfotografie: Künstler auch künstlerisch aussehen zu lassen. Denn ein Still life ist eben nun mal weder live noch laut, nur still – und ein Head banging wirkt auf einem Foto unter Umständen wie Kasperltheater.
Bühenfotografie soll Ambiente und Dynamik vermitteln
Bühnenfotografie lebt daher vom Ambiente und von der Dynamik. Fotografisch umsetzen lässt sich das, indem man neben den Künstlern die Beleuchtung, die Bühnenshow oder das Publikum mit einbezieht. Technisch arbeite ich dabei meist mit Offenblende, weil man so bestimmte Elemente hervorheben kann, und/oder mit langen Verschlusszeiten, um die Dynamik des Geschehens zu vermitteln. Ich habe daher abermals mein Archiv durchsucht und die folgenden Bilder gefunden.
Oliver Stephan, Stimulators
Oliver Stephan ist Leadsänger und Gitarrist der Münchner Band Stimulators. Er wuchs in Afrika auf und kam früh mit Ska und Punk in Berührung. 1978 gründete er Deutschlands erste Ska-Band, die Nighthawks. Mit ihr hatte er 1979 zwei Hits: Belle Blue und Shanty Town.
An dem Foto gefallen mir zwei Dinge besonders: die fast schon intime Beziehung des Sängers zum Mikro und die bunten Glühlampen, die wie eine Perlenkette wirken und diese Liebesbeziehung einrahmen.
Express Brass Band
Die Express Brass Band aus München gibt es seit 1999. Mit bis zu 25 Musikern tritt die Band auf. Das Repertoire besteht aus einer Mischung von Afrobeat, Jazz und Weltmusik. „Sie sind mobil, brauchen keinen Strom, keinen Verstärker und können ohne großen Aufwand richtig viel Krach machen“, schreibt der Fernsehsender Arte über die Münchner Blechmusiker. Und: Das alles klingt extrem gut.
Das Foto ist lustig. Schlagzeuger und Sänger Burki wird hier zum Magafon mit Hut. Außerdem gefällt mir der Kontrast Grün (Ambiente) – Rot (die Band) – Blau (der afrikanische Junge).
Carola Grey
Carola Gschrey (Künstlername Carola Grey) aus dem benachbarten Zorneding wollte ursprünglich Konzertpianistin werden. Doch sie begann früh mit dem Schlagzeug und kam über eine Schülerband zum Jazz. Mit 17 spielte sie das erste Mal im Jazzclub Unterfahrt. Nach dem Studium an der Musikhochschule Köln ging sie für einige Jahre nach New York. Grey veröffentlichte mehrere CDs, die es zum Teil in die Top Ten der amerikanischen Gavin-Jazz-Charts schafften. Sie gilt als Deutschlands bekannteste moderne Schlagzeugerin und ist als einzige Frau seit 2010 unter den 25 German Drumheroes, den besten deutschen Drummern.
Dieses Foto ist durch die Bewegung der Sticks sehr dynamisch – im Gegensatz zu Greys sonst eher ruhiger Haltung. Das ist einer längeren Belichtungszeit geschuldet. Außerdem gefällt mir das Blau des Bühnenlichts, das rechts den schwarzen Vorhang einfärbt – und so mit dem Schlagzeug einen farbigen Rahmen bildet.
Gimme some lovin’
Der Song „Gimme Some Lovin’“ wurde ursprünglich von der englischen Spencer Davis Group gespielt, später dann populär durch die Grateful Dead. Er kam 1966 bis auf Platz 2 in den englischen Charts und wird vom Rolling Stone Magazin auf Platz 247 unter den 500 Greatest Songs of all Time gelistet. Der Song wurde oft in Filmen verwendet, unter anderem in Blues Brothers, Notting Hill und Good Morning, Vietman.
An dem Foto gefallen mir die Notizen des Pianisten auf dem Notenblatt sowie – dank Offenblende – die verschwommenen Silhouetten weiterer Bandmitglieder. Dieser Song wurde schon von so vielen gespielt, dass er das wichtige Element ist.
Swinging G’s
Bis zu fünf Saxophone spielen beziehungsweise spielten bei den Swinging G’s. – von Bariton- bis zum Alt-Saxophon. Sie bilden die erste Reihe der Bigband direkt vor der Bandleaderin und Frontfrau Anja Bernhard. Auf vielen Konzerten im und über den Landkreis hinaus tritt die frühere Schülerband auf, unter anderem beim Grafinger Kneipenfest und im Jazzclub Unterfahrt.
Dieses Foto ist Musik. Man kann den Klang des Bariton-Saxophons förmlich hören und auch sehen, wie es sich von der Masse der anderen abhebt.