Beim Fremdsprachenerwerb vertrete ich den Ansatz, dass man den Lerner in der Sprache baden, ihm also möglichst schnell viele Sprachstrukturen (aka Grammatik) und Vokabular präsentieren sollte. Im Unterricht versuche ich dabei, mehr Lernstoff zu nutzen und alle Sinne zu aktivieren und nutze u.a. Musik, Bilder und Videos. Das gelingt mit gutem Erfolg: So konnte ich in den sogenannten Starterkursen in München innerhalb eines Jahres zwei Gruppen unbegleitete Minderjährige ohne Vorkenntnisse auf das Sprachniveau A2 bringen; einer von ihnen hat bereits nach zehn Monaten in Deutschland seinen Mittelschulabschluss gemacht und eine Ausbildung begonnen, weitere sind im Berufsvorbereitungsjahr – etwa in Schloss Zinneberg – oder den Abschlussklassen der SchlaU-Schule.
Insbesondere für die Arbeit mit unbegleiteten Minderjährigen taugen die klassischen Lehrwerke nicht bzw. nur bedingt. Die in Integrationskursen oft eingesetzten Standardwerke Pluspunkt Deutsch oder Schritte Plus mögen in eben jenen ihre Berechtigung haben. Aber unbegleitete Minderjährige interessieren sich nicht unbedingt für die dort behandelten Themen wie Reisen, eigene Kinder oder die eigene Mietwohnung, bzw. haben zunächst einmal ganz andere Probleme. Auch das Vermitteln von Vokabeln wie Einbauküche, Gesangverein, Krippengruppe oder Nebenkosten (aus Schritte Plus 1) ist nicht unbedingt zielorientiert.
Dagegen kommen manche der am häufigsten verwendeten Wörter des Deutschen in den ersten Bänden von Pluspunkt Deutsch oder Schritte Plus nicht vor. Bei Schritte Plus 1 fehlen von den im Deutschen am häufigsten verwendeten 25 Wörtern werden (Rang 9 in Jones, R.L.; Tschirner, E. (2006): A Frequency Dictionary of German – Core Vocabulary for Learners, New York: Routledge), sich (Rang 15) und dies (Rang 24); von den zehn häufigsten Verben tauchen werden (Rang 3), müssen (Rang 5) und sollen (Rang 10) überhaupt nicht auf und können (Rang 4) wird erst in der letzten Lektion erläutert.
Ich arbeite seit September 2014 in den Starterkursen und wehre mich seit Beginn gegen das dort einzusetzende Lehrwerk Pluspunkt Deutsch. Nachdem nun vermehrt auch Lehrende aus anderen Einrichtungen Bedenken geäußert haben, gilt Pluspunkt Deutsch in den Starterkursen inzwischen als wenig tauglich und soll eventuell ersetzt werden, vielleicht durch Schritte Plus – vom Regen in die Traufe!
Über DaF/DaZ-Lehrwerke wird dauernd an allen Orten diskutiert, wo Fremdsprachenunterricht stattfindet. Vor zwei Tagen hatte ich bei einer solchen Diskussion ein königliches Déjà-vu. Eine Kollegin berichtet, dass sie Italienisch mit Hilfe suggestopädischer Methoden lerne. Da war doch mal was in fernen Uni-Zeiten. Bingo! Auf der Homepage der Uni Duisburg bin ich auf das Buch
ehem.1990, Langenscheidt KB, Berlin und München
Druck: Druckhaus Langenscheidt, Berlin
ISBN 3-468-49449-1
1. Die ersten Texte einer fremden Sprache, die dem Lerner zur Aneignung angeboten werden, sollen sprachliche Situationen modellieren, die als kommunikative Handlung von den Lernern aktiv nachvollzogen werden können. Texte von geringem Umfang sind in ihrem kommunikativen Potential notwendigerweise sehr beschränkt und enthalten deshalb nur wenige sprachliche Modelle und Kommunikationsanlässe.2. Bei großem Input hat der Lerner ein reiches Angebot an sprachlichem Material zur Verfügung, das ihm die Möglichkeit eröffnet, sprachliche Strukturen und Handlungen, die damit realisiert werden können, zu variieren. Der kreative Aspekt von Spracherwerb und Sprachverwendung ist dadurch von Anfang an in den Sprachlernprozess integriert.3. Kleine Textmengen ziehen eine überwiegend reproduktive Aktivität nach sich. Es wird immer dasselbe wiederholt. Wenn die Lerner nur wenige Handlungsfolgen und Kommunikationssituationen gestalten, nimmt das Interesse der Lerner am Unterricht ab. Es geht nur noch um formale Richtigkeit, um korrekte Wiederholungen, und die Lerner haben keine Möglichkeit, kommunikativ relevante Sprachhandlungen durchzuführen, die das Interesse ihrer Kommunikationspartner auf den Inhalt ihrer Äußerungen lenken würde. Die Möglichkeit zur Gestaltung verschiedener Kommunikationssituationen und zur Variation hält demgegenüber das Interesse und die Aufmerksamkeit der Lerner wach.4. Mit der Wiederholung, die kreative Möglichkeiten reduziert, ist pädagogisch gesehen auch eine Negativsuggestion verbunden. Dem Lerner wird durch die ständige Aufforderung, dasselbe zu wiederholen suggeriert, daß er den Stoff noch nicht beherrschen kann. Der Antrieb des Lerners, kommunikative Handlungsziele durchzusetzen und dabei auch sprachlich Neues zu erproben, der im Erstsprachenerwerb und im ungesteuerten Zweitsprachenerwerb einen wichtigen Faktor darstellt, erhält keine Förderung.5. Die rezeptive Kompetenz des Lerners wird durch umfangreiche Texte schneller und besser ausgebildet. Der Lerner, der mit mehr fremdsprachlichem Material konfrontiert wird, hat mehr sprachliche Erfahrung, kennt mehr sprachliche Modelle, auf die er in unbekannten, neuen sprachlichen Situationen zurückgreifen kann. – Wie bei jedem Spracherwerb ist natürlicherweise auch beim Fremdsprachenerwerb die rezeptive Kompetenz größer als die produktive: Der Lerner soll möglichst viel verstehen, braucht aber nicht alles, was er versteht, in gleicher Weise ausdrücken zu können.6. Wenn das Erlernen einer fremden Sprache mit einem großen Input beginnt, wird sowohl der Erwerb von Wortschatz als auch von Regularitäten der Sprache (Phonetik, Grammatik) erleichtert.